Die Zeitwaisen

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Berlin–Dingle–Avranches 2017 – Carmarthen–Fishguard, Samstag 10. Juni

in: Berlin–Dingle–Avranches 2017
Carmarthen–Fishguard, Samstag 10. Juni
Reisen, Radreisen
Radix | Berlin–Dingle–Avranches 2017

-12:21-

National Cycle Network Route 47, kurz vor Pen-Y-Bont und hinter „St. Teilo’s Church“.

Regen, Regen, Regen. Eine halbe Stunde vor der Aufnahme erscheint der gleiche LKW von vorne kommend erneut, knapp 40 Minuten nach der letzten Begegnung. Keine Ahnung wie er das gemacht hat. Die Straße ist zum Glück breiter. Er kommt näher, stoppt in gleicher Position wie zuvor – Fensterscheibe gleitet nach unten, sehr liebes Lächeln erscheint – und erkundigt sich, ob ich noch immer das Fischding machen würde, also im Regen nach Fishguard schwimmen. Das ist jedenfalls der Satz, den die Eiweismasse im Hirnkasten draus bastelt. Tatsächlich fragt er nur, ob ich immer noch nach Fishguard unterwegs wäre und bietet mir an, ihn auf eine Tasse Kaffee zu begleiten, zum Trocknen und Aufwärmen. Würde das Angebot des sympathischen Fahrers sehr gerne annehmen, bin jedoch im Moment richtig in Schwung, nur von innen ein wenig nass geschwitzt, dank Merino trotzdem angenehm warm, und bis auf den weiterhin triefend nassen aber ebenso warmen Merinostrumpf, guter Dinge. Eine längere, häusliche Pause, nach nur knapp 17 Kilometern Fahrt, raus aus den Regenklamotten, abkühlen, Schweiß trocknen, wieder aufwärmen, aus dem Rhythmus kommen, das scheint grad zu viel des Guten. Obwohl weitere Plauderei sicherlich Spaß machen würde, mehr noch als der Kaffee. Lehne dennoch ab und versuche das entsprechend mitzuteilen, ungünstiges Timing und so, vielen Dank für das Angebot. Nimmt er glücklicherweise easy und erzählt dann noch von einer anderen Strecke, die er selbst ehemals mit dem Fahrrad gefahren sei, die besser zu radeln sei, mit weniger Steigungen, ganz genau könne er diese jetzt aber nicht beschreiben. Erkläre ihm die Sache mit dem GPS, dass ich zwar keine Papierkarten hätte, er mir die Strecke aber prinzipiell auch auf dem Gerät zeigen könne. Das wäre mir aber grad alles zu kompliziert und abenteuerlich in dem Wetter, komplett neue Strecke und so, zumal er den Weg auch nicht sicher beschreiben könne. Vielleicht das nächstes Mal, grins, dies hier sei schon die Strecke, die ich jetzt weiter fahren wolle, dennoch danke für den Tipp. Ob ich mir wirklich sicher sei, auch bezüglich des Kaffees. Ja wirklich, sei ich, alles gut, vielen Dank, das sei wirklich sehr freundlich. Er wirkt sichtlich besorgt, habe fast etwas Mitleid mit ihm. Erneut verabschieden wir uns grinsend, und vielleicht sähen wir uns ja tatsächlich noch einmal.

Der Regen nimmt kein Ende. Knapp eine Stunde später – nur wenige Kilometer weiter, aber zu viele Meter hoch, zumindest bei diesem nassen, kühlen, windigen Wetter –, scheint eine kleine Pause nicht verkehrt, fühle mich nicht mehr ausreichend fit weiter zu radeln. Eine kurze, rasante Abfahrt führt ins übersichtliche Trelech, bis an eine Kreuzung. Der Ort wirkt verwaist. Niemand zu sehen oder zu erahnen. Halte Ausschau nach einer Möglichkeit, dem Regen zu entkommen. Ein trockenes Plätzchen für eine leichte, stärkende Zwischenmahlzeit. Das überdachte Wartehäuschen einer Bushaltestelle, am Rande des kleinen Platzes gegenüber der Kreuzung, schaut mehr oder weniger vielversprechend aus. Mangels weiterer Optionen gar keine andere Wahl. Für ein paar Minuten raus aus dem gröbsten Wasserbad, sollte es ausreichen. Richtig gemütlich ist die Szenerie nicht. Eine Banane, ein paar Nüsse, etwas Trinkwasser, etwas entspannen, und bevor die Körpertemperatur zu weit absackt, schon wieder drauf auf dem Sattel. Bei der aktuellen Außentemperatur wärmen die Klamotten nur in Bewegung auf angenehmen Level.

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